Herbstkonferenz von Automotive Nordwest: Leichtbau Fokus
11. Oktober 2017Vorträge und Rückblick der Herbstkonferenz „Leichtbau“
20. November 2017Die Automobilindustrie, die in Niedersachsen und Bremen eine besonders hohe Bedeutung für den Arbeitsmarkt hat, steht vor massiven Herausforderungen: Mittelständische Zulieferbetriebe der Region müssen sich ebenso wie die großen Hersteller auf Trends wie Elektromobilität, autonomes Fahren und ein verändertes Mobilitätsverhalten einstellen. Die Bewältigung dieses Wandels wird für viele Unternehmen davon abhängen, welche Lösungen sie im Bereich Leichtbau finden – denn das Einsparen von Gewicht bei gleichbleibender Stabilität und Sicherheit ist einer der wichtigsten Schlüssel für den zukünftigen Erfolg, wie die gemeinsame Herbstkonferenz der beiden regionalen Cluster Automotive Nordwest und AutOS am 8. November 2017 im Stahlwerk Georgsmarienhütte zeigte.
Nordwesten als Vorreiter der zukünftigen Mobilität
Die beiden Netzwerke verfolgen das Ziel, die Unternehmen in ihren Regionen zu vernetzen und sie für Zukunftsthemen zu sensibilisieren. Darüber hinaus kooperieren sie zunehmend auch untereinander, beispielsweise bei Veranstaltungen, aber auch innerhalb des Dachverbands Automotive Nord. Landrat Dr. Michael Lübbersmann hob diesbezüglich die gute Zusammenarbeit innerhalb der Metropolregion hervor und verwies darauf, dass alleine im Raum Osnabrück mehr als 80 Unternehmen direkt als Zulieferer für die Automobilindustrie tätig sind.
Wichtig sei es, die gemeinsamen Interessen verstärkt in Hannover und Berlin zu vertreten, erklärte Dr. Anna Meincke, Geschäftsführerin der Metropolregion Nordwest, deren Förderung die Herbstkonferenz ermöglichte – mit weiteren Mitteln von der Stadt und dem Landkreis Osnabrück. „Wir sind im Nordwesten richtig gut und wollen das in Zukunft stärker vermarkten“, so Meincke. Der Nordwesten könne im Bereich Mobilität zum bundesweiten Vorreiter werden. Wünschenswert sei diesbezüglich eine intensivere Vernetzung zwischen verschiedenen Branchen-Clustern, denn es gebe oft Überschneidungen bei den Themen. Das Thema Leichtbau sei beispielsweise auch für die Luft- und Raumfahrt sowie die Agrartechnik von immenser Bedeutung.
Gewichtseinsparungen bis zu 60 Prozent möglich
Auch für weitere Branchen ergeben sich attraktive Anknüpfungspunkte. So arbeitet der Gastgeber der Herbstkonferenz, das Stahlwerk Georgsmarienhütte, bereits seit langem intensiv an innovativen, leichten Materialien für die Automobilindustrie. Weltweit gibt es mehr als 2000 Stahlsorten, die sich nach der chemischen Beschaffenheit und der Verarbeitung unterscheiden. Laut Dr.-Ing. Thomas Wurm, Leiter Technische Kundenberatung und Anwendungsentwicklung des Stahlwerks, sind moderne Stähle für steigende Anforderungen an Qualität, Leistung, Fahrdynamik, Leichtbau und Umwelt ausgelegt. Das Unternehmen liefert vor allem Materialien für Antriebsstränge und Fahrwerke, wobei sich durch neue Stähle teilweise 10 bis 20 Prozent Gewicht sparen lassen. Nach Angaben von Dr.-Ing. Daniel Häffelin, Leichtbau-Ingenieur bei der BOGE Elastmetall GmbH (Damme) sind an anderen Stellen sogar Einsparungen bis zu 60 Prozent möglich. Das Unternehmen entwickelt dafür ganz neue Strukturen und Fertigungsprozesse für Fahrzeugbauteile.
Fahrspaß steigt, wenn das Gewicht sinkt
Grundsätzlich ist das Thema Leichtbau in der Fahrzeugtechnik nicht neu: Bereits vor mehr als 50 Jahren spielte es im Motorsport eine Rolle. Im normalen Straßenverkehr waren jedoch vor allem Sicherheit und umfassende Funktionen gefragt, ehe in den vergangenen Jahren der Kraftstoffverbrauch und die Umweltfreundlichkeit an Bedeutung gewannen. Prof. Dr.-Ing. Christian Schäfers von der Hochschule Osnabrück wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Dynamik und der Fahrspaß eines Autos mit sinkendem Gewicht zunehme. Die Zukunft liege daher in einem „intelligenten Mischbau“ mit einem Mix aus Aluminium, Carbon und Stahl: „Es geht darum, den richtigen Werkstoff an die richtige Stelle zu bringen“, so Schäfers. Um das Ziel „minimales Gewicht bei maximaler Steifigkeit“ zu erreichen, müsse in Zukunft stärker auf Klebtechnik gesetzt werden, denn diese biete bei der Kraftübertragung erhebliche Vorteile gegenüber dem reinen Schweißen.
Radikale Innovationen erforderlich
Der Branchen-Experte und Fachbuch-Autor Rainer Kurek war ebenfalls der Meinung, dass nur eine Kombination verschiedener Werkstoffe zielführend ist. Er mahnte die Unternehmensvertreter, die Produkte und Prozesse in diesem Rahmen ganz neu zu betrachten. „Radikalinnovationen sind jetzt wichtiger denn je“, betonte er – die schrittweisen Verbesserungen würden im internationalen Wettbewerb aktuell möglicherweise nicht mehr ausreichen.
In der abschließenden Diskussion setzten die Experten das Thema Leichtbau in Bezug zu den anderen großen Trends. Die Elektromobilität sei aufgrund der schweren Batterien ebenso auf leichtere Bauteile angewiesen wie die autonomen Fahrzeuge, in denen zusätzliche Funktionen untergebracht werden müssen. „Leichtbau ist ein Evergreen“, betonte Schäfers. „Das wird aus meiner Sicht auch in Zukunft so bleiben.“
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